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Eine Stimme zum Klingen gebracht: Erfolgreiches Internationales Luise Greger Festival 2019

Es ist etwas sehr Schönes zu erleben, dass einer Einladung so mehrfach gefolgt wird. Das Festival, zu dem das Kasseler Kultur Forum e.V. und der Förderverein Archiv Frau und Musik Kassel e.V. eingeladen hatte, wurde zu einem regelrechten Fest.

„… und über mir die Sterne – Luise Greger – Ambitionen und Möglichkeiten einer Frau in wechselvollen Zeiten“ lautete der Titel des ersten von zwei Vorträgen am Samstagvormittag. Dr. Annette van Dyck-Hemming vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt erläuterte die Schwierigkeiten, die Frauen noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Der Dramaturgie des Gedichtes „Ich wollt’ ich wär’ des Sturmes Weib“ von Anna Ritter (1865–1921) (u.a. Verfasserin des Gedichtes Denkt euch – ich hab das Christkind gesehn!) in der Vertonung von Luise Greger folgend, zeigte Dr. van Dyck-Hemming Parallelen zur Biografie der Komponistin auf. So verweist eine Textzeile wie: „Frei würd’ ich sein / und stolz und gross! / Die Königin der Ferne!” auf Wünsche und Träume, das Erahnen einer Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens wissend, dass dies noch ein langer Weg sein wird.

Der zweite Beitrag des Vormittags „Das spätromantische Lied in Bezug zur Hörerfahrung junger Menschen“ bot lebendige Berichte der Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Musik (Jahrgangsstufe 13) des Kasseler Wilhelmsgymnasiums. Ihre Lehrerin Maria Weber-Krüger hatte, angeregt durch das bevorstehende Luise Greger-Festival, eine Unterrichtseinheit zum Thema Lied der Komponistin Luise Greger gewidmet. Im Mittelpunkt stand dabei die Vertonung des Theodor Storm Gedichts „Schließe mir die Augen beide“. In ihrer Analyse verglichen sie es mit Vertonungen Alban Bergs und dem Song „A Million Dreams“ von Ziv Zaifman. Das Greger-Lied und der Pop-Song wurden von Marlene Stein (Gesang) und Arne Dietrich (Klavier) gekonnt vorgetragen. Eindrucksvoll beschrieben die jungen Menschen die Ergebnisse ihrer Beschäftigung mit diesem anspruchsvollen Thema und zeigten ihre Neugierde auf die ihnen bis dahin noch fremde Welt des Kunstliedes.

Fragen ganz anderer Art warf die Konfrontation mit der letzten Lebensstation Luise Gregers, die Psychiatrie in Merxhausen, auf. Hier starb sie in der Nazizeit im Rahmen der dezentralen Euthanasie-Maßnahmen durch gezielte Unterversorgung. Vor Ort machten Irmgard Raschka-Halberstadt (Geschäftsführerin Vitos Kurhessen), die Landesdirektorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Susanne Selbert, sowie Bürgermeister Stefan Frankfurth deutlich, wie wichtig die Aufarbeitung der von den Nazis an hunderten von Menschen in Merxhausen begangenen Verbrechen ist. Betroffen machte der Vortrag von Joachim Hübner, dem Vorsitzenden des Kultur- und Geschichtsvereins Bad Emstal, „Das ist ein Aufenthalt für Sommergäste”. Er beschrieb nach Auswertung der zugänglichen Unterlagen die Lebensbedingungen, unter denen Luise Greger und mit ihr ca. 400 Frauen dort leiden mussten. Emotionaler Abschluss der Veranstaltung war die festliche Einweihung des Luise-Greger-Platzes vor dem Klostermuseum. Mit ihrem Namen steht sie stellvertretend für alle Menschen, die in der Einrichtung durch die Nationalsozialisten zu Tode kamen. Der Posaunenchor der Ev. Kirchengemeinde Bad Emstal-Sand spielte zwei Stücke aus dem Märchenspiel „Gänseliesel” der Komponistin.

Den internationalen Charakter erhielt das Festival durch die Mitwirkung der amerikanischen Künstler*innen Eleni Matos, Rebecca Wilt, Stanley Jackson und Patricia O’Keefe, die mit „Bravo“-Rufen und Zugaben vom begeisterten Publikum verabschiedet wurden. Insbesondere Eleni Matos hat seit mehreren Jahren Lieder von Luise Greger in ihren Liederabenden nicht nur in  Amerika, sondern auch in Europa im Programm. Die Wurzeln der Greger-Familie reichen bis nach Amerika, wohin um die Jahrhundertwende der jüngste der drei Söhne Luise Gregers, Reinhold, emigrierte und verschwand. Erst über das Internet gab es eine amerikanisch-deutsche Zusammenführung der Greger Familie. Die Urenkelin Elizabeth Derrig initierte vor einiger Zeit in Whidbey Island (Washington) das Luise Greger Women in Music Festival.